Der Fall S.Claus

Bareface 2009
Bareface 2009

Erwachsenen Diagnostik Fallnummer 24-12-11

Name: S. Claus  männlich  Alter: keine Angabe

Beratung wegen Verdachts auf Asperger Syndrom

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Zu Beginn unseres Gespräches stellt sich sofort die Frage, ob eine sich in einem jährlichen Abstand wiederholende Fixierung auf nur eine Sache, wie im Fall von Herrn Claus, schon als ein sehr ungewöhnliches Spezialinteresse bezeichnet werden kann? Und wie sieht es mit sozialen Kontakten und Interaktionen aus? Grundsätzlich ist zu sagen, dass Herr Claus soziale Interaktionen meidet bzw. diese auf einen einzigen Tag im Jahr beschränkt. Von Januar bis November sei er Herr Anonymus, sagt er selber. Die Mehrzahl seiner Aktivitäten halte er streng geheim und vermeide es gesehen zu werden, wann immer dies möglich ist. Nach eigenen Angaben kann sich Herr Claus die Namen und Adressen aller Kinder auf der Erde merken, er selbst gibt allerdings keinen Vornamen an und scheint auch keinen zu benutzen. Sein Gehirn verarbeitet und organisiert Informationen ganz offensichtlich anders. Um in seinem Alltag besser zurechtzukommen, fertige er Listen an, die er mehrmals täglich überprüfe. Es scheint, als hätte er das Teacch-Prinzip entdeckt und würde dieses erfolgreich für sich zu nutzen. Als eine weitere Inselbegabung kann sein Multilingualismus, also seine Fähigkeit alle Sprachen zu sprechen, bezeichnet werden. Jedoch ist sein angewandter Wortschatz sehr limitiert („Ho Ho Ho“, „Wie heißt du?“ „Warst Du auch artig?“) Er bevorzuge die briefliche Kommunikation. Diese ist jedoch sehr einseitig. Eigenen Angaben zufolge antworte er nie, hebe sich aber alle Briefe auf. Er trage außerdem immer die gleiche Kleidung: roter Mantel mit Kapuze, schwarzer Gürtel und schwarze Stiefel. Auch bei der Frisur gäbe es keine Flexibilität. Er lasse da er niemanden ran. Er trägt das weiße Haar länger und hat dazu noch einen weißen Vollbart. Er mag keinerlei Veränderungen und beharrt auf dieser und vielen anderen Routinen. Seine Ernährung sei mit Keksen und Milch sehr einseitig, das wisse er. Außerdem neige er zu Übergewicht. So lange er denken kann, lebt Herr Claus an einem ungewöhnlichen und isolierten Ort. Er beschreibt sein Zuhause als geräumig, jedoch sehr gemütlich. Er lebe dort mit Elfen zusammen, die ihm bei vielen Sachen zur Hand gehen. Seine Beschreibungen dieser imaginären Freunde sind sehr überzeugend und zeigen, dass er über eine enorme, wundervolle Phantasie verfügt, fast so wie ein Kind. Sein Zuhause ist ein sicherer Ort, den er auch keinesfalls verlassen möchte. Genauer gesagt, tut er dies auch nur an einem Tag im Jahr, immer vom 24. auf den 25.Dezember. An diesem Tag bereist er nach eigenen Angaben fast alle Länder der Welt. Es ist offensichtlich, dass er ein gestörtes Zeitempfinden hat. Er sieht es als seine Verpflichtung, den Kindern Geschenke zu bringen, eine Regel, die er nicht brechen könne. Die Geschenke bekämen aber nur die Kinder, die brav waren. Er scheint sie als positive Verstärker einzusetzen. Wer nicht brav war, dem droht er mit der Rute. Diese unterschwellige Fremdaggression macht den Kindern natürlich Angst, die Herr Claus aber nicht oder nur wenig wahrzunehmen scheint. Hier sollte auf jeden Fall ein Sozialtraining ansetzen. Um sozialen Kontakten aus dem Weg zu gehen, betrete er Häuser oft nachts und auf oft ungewöhnliche Weise, z.B. über den Kamin. Entscheide er sich doch für die Haustür, so gebe er sich sehr wortkarg und stelle häufig nur und immer wieder dieselben Fragen. Hier würde ein Kommunikationstraining hilfreich sein. Herr Claus bestätigt, dass das Ansagen von Gedichten und Vorsingen von Liedern eine beruhigende Wirkung auf ihn habe, so dass er dies auch selber gern tut. Außerdem möge er Tieren sehr. Er besitze selbst 9 Rentiere, mit denen er besser klar käme als mit Menschen. Mit ihnen fliegt er dann in der Weihnachtsnacht um die Welt. Sein Empathievermögen, also die Fähigkeit sich in andere Menschen hinein zu fühlen, scheint stark eingeschränkt. (Wer hat zu Weihnachten nicht schon häufig ein Geschenk ausgepackt, mit dem er überhaupt nichts anfangen konnte?  Anm. d. Red.) und trotzdem ist Herr Claus ein liebenswerter Mensch, der immer wieder den Kontakt zu anderen Menschen sucht, wenn auch auf eher ungewöhnliche Weise. Trotz seines ungewöhnlichen Aussehens und Verhaltens freuen sich jedes Jahr Millionen Kinder darauf, Herrn Claus zu sehen, was zumindest bei der jüngeren Generation eine Bereitschaft zur Inklusion erkennen lässt.

 

 

Bei Asperger-Syndrom ist die Fähigkeit zur sozialen Interaktion und Kommunikation erheblich beeinträchtigt. Ferner bestehen ungewöhnliche Spezialinteressen und eine Tendenz zu ritualisierten Handlungen. 

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